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Dir erzählen…

Kennst du diese Tage, an denen du alle Erlebnisse der vergangenen Stunden, von aufwühlend-ereignisreich über unfassbar-komplex bis hin zu ultralustig, genau diesem einen Menschen erzählen willst?

Du bist auf dem Nachhauseweg, deine Gedanken springen Trampolin, deine Emotionen fahren Achterbahn, dein Bauchgefühl kann sich nicht entscheiden zwischen aufs Herz hören oder dem Kopf recht geben…

Dann kommt dir der Gedanke, dass du nun dies alles gleich und zwar sofortiger als sofort dem Menschen, dem Lieblingsmenschen deines Lebens, im allergenausten Detail alles preisgeben willst.

Für kurze Zehntelssekunden erscheint dir diese Option das Logischste und das Angenehmste, was es nun für dich, bei deiner Ankunft in deinem Zuhause, geben kann.

Doch dann, ganz plötzlich und auf einen Schlag, sehr hinterhältig und fies, kommt dir in den Sinn, dass es dieses Zuhause und diesen Menschen nicht mehr gibt. Einfach so.

Du kannst es diesem Menschen nicht erzählen. Nicht sofort, nicht heute, nicht morgen und auch sonst nie wieder.

Alsbald wird dir ganz schrecklich klar, dass zum Trampolin, der Achterbahn und dem Herz-Kopf-Gehustle nun auch noch der am Strick baumelnde miese Verräter „Trauer“ hinzukommt.

Die Trauer legt gerade ihren Kopf in die selbstgebundene Schlaufe eines Todestaues und steigt depressiv auf den Küchentisch, um die Lampenhalterung auf die Zuverlässigkeit einer guten und kurzweiligen Erhängungsmöglichkeit zu überprüfen (nein danke Tim Roth (und nicht nicht nicht Christoph Waltz!), es geht auch ohne dich, den Henker aus Hateful Eight, schliesslich ist frau emanzipiert, selbstbewusst und eigenständig).

Natürlich klopft dann irgendein Quäntchen Hoffnung (verfahren wir weiterhin in der Hateful Eight Metapher steht die Hoffnung wohl für Channing Tatum, ganz unten im Kellergeschoss mit geladener Knarre) trotzdem an die Hintertür deiner Seele, um kurz mal „Hallo“ zu sagen.

„Erzähls doch deinen Freunden, deiner besten Freundin, deiner Mutter, deinen Mitbewohnern oder im Notfall deinen Einhörnern, die sich ja sowieso nur gänzlich langweilen den lieben langen Tag über, gebettet auf deinen Himmelbettkissen.“

(Die Hoffnung wispert dir dies vielleicht gar mit einem kleinen Lächeln und vermeintlich erheiternd hochzuckenden Schultern zu…)

Aber nein. Du kannst es eben nicht IHM erzählen.

DEM Menschen.

Nach diesen Erkenntnissen fährt dann plötzlich das Trampolin Achterbahn und dein Herz baumelt am Strick, gänzlich kopflos.

Es waren die ewigen Stunden auf der Veranda, zu jeder Jahreszeit. Bei Regen oder gleissendem Sonnenlicht.

Es waren die Augenblicke jeder einzelnen Autofahrt mit Ankunft bis zum Ziel oder dem Scheitern vor der Zielerreichunge aufgrund eines leeren Tanks kurz vor dem Europaparkgelände.

Es waren die Momente an den einsamsten, wunderschönsten, unglaublichsten Orten auf dieser Welt.

Es waren die Zeiten, in denen man auf die Rückkehr des Anderen ungeduldig wartete und vor Sehnsucht kein Auge im einsamen Bett zumachen konnte.

Es waren die Wochen voller aufregender Planungen bevorstehender Projekte, erfüllt von tiefer Freude, Ausgelassenheit und tränenreichen Lachern.

Es waren die kleinen Ewigkeiten zwischen Möbelkauf, Besteckauswahl, Cheesnachosexperimenten in der Mikrowelle, Downloaderrors diverser Filme und Mitternachtsputzaktionen mit desolatem Staubsauger.

Alle diese Zeiten, woben ein Band der Innigkeit, knüpften ein Unikat einer Beziehung, schufen einen der tiefsten und klarsten Meeresböden des Vertrauens.

Those were the Days – dies wusste schon Mary Hopkins 1969. La la la la…

Das Bewusstsein darüber zu erlangen, dass in der Gewohnheit des Alltages, der Geist stets noch zu alten, längst vergangenen Mustern zurückgreift, ist einfach hässlich und zermürbend.

Dir erzählen…

Das würde ich nun so gerne tun. Es wäre mein Wunsch zur Nacht. Doch es ist nicht möglich.

Deshalb erzähle ich es dir…

Hoffnung – stirb! Und falls dir dies noch nicht gereicht hat, dann gibt’s halt noch nen „Channing Tatumliken“ Schuss in deine hübschen kleinen Eier.

Oder ich schreib nen Brief an Abraham Lincoln.

Ha!

 

§34 · Februar 24, 2016 · Allgemein · (No comments) ·


Ein Erfahrungsbericht…

Da stehe ich also nun. Auf neuem mir noch unbekanntem Territorium. Neues Jahr, neues Glück, neue Geschäfte zum Ausprobieren. So mein Motto. Schliesslich ist noch Sale und frau auf der Suche nach den letzten Schnäppchen. Ich atme tief ein, nehme meinen neuen Mut 2016 aus meiner Seelentasche hervor und betrete den Laden. Das Geschäft ist eines jener Sorten, welche ich normalerweise sonst nie betrete. Der Boden ist ausgekleidet mit schwerem Teppich, die Kleider hängen adrett drapiert an ihren Kleiderbügeln und wehen in einem imaginären Wind vor sich hin. Es scheint, als wäre jedes Kleidungsstück einzeln mit einem Spot beleuchtet und die Stoffe wispern einem leise verführerisch zu: Kauf mich!

Schwere Parfümnoten schwängern die Luft, die Verkäuferinnen sind alle derart „en vogue“ gekleidet und geschminkt, als kämen sie direkt vom Laufsteg aus Mailand.

„Sucht die Dame etwas Bestimmtes?“ Diese aprupte Frage einer Angestellten, lässt mich aus meinen Tagträumereien, welche ich vorzugsweise gerade vor einem Regal mit federähnlichen bestickten Pullovern vollführe, aufschrecken. Sie: Typ Prada-Parfüm, Goldschmuck, Loubutins-Stiefelettchen und Seidenfoulard. Ich: Typ Nike Airmax, schwarze Jeans, Pferdeschwanz, ohne Make-Up. Ich drehe mich langsam zu ihr um und wir beäugen uns für gefühlte zehn Sekunden äusserst misstrauisch. Der Klassenunterschied ist ganz deutlich spürbar. Aber die Dame geht gewissenhaft ihrer Pflicht nach und möchte (muss) helfen.

„Ich schaue mich gerne einmal um“, höre ich mich sagen und schicke noch einen ladyliken „hmmhmm“ Räusper hinterher, da ich doch etwas zu kämpfen habe mit ihrer gespielten Höflichkeit.

„Mode für junge Damen wie Sie, finden Sie ansonsten auch eine Querstrasse weiter von hier.“ Aha! So ist das also. Ich lächle gekonnt und öffne unbeirrt zeitgleich einen zusammengefalteten Pullover mit meinen durchaus nicht so perfekt manikürierten roten Nägeln, wie der ihren.

Was für ein Schnäppchen! Statt für 199.- Franken ist dieser Fetzen Stoff nun nur noch für 179.- läppische Eier erschwingbar. „Haben Sie den auch in bordeauxrot?“, frage ich, viel mehr um die unangenehme Stille zwischen ihr und mir zu durchbrechen, als aus wirklichem Interesse. Ihre Nägel trommeln auf die Glasvitrine, hinter welcher sie steht und ihre Goldkettchen klimpern ebenfalls mit. „Nein meine Dame, es handelt sich hier um ein Einzelstück. Kundinnen, die des Öftern bei uns einkaufen, sind sich dessen bewusst.“ Boah, danke für nichts. Ich gäbe gerade alles um eine hochwertige Porzelantasse mit Tee und einem Gutsch Arsen drin. Agathe Christie, Miss Marple – ich bin in Gedanken ganz bei euch gerade.

Ein Stockwerk höher im Kaufhaus des Grauens, meinem selbstzusammengebrauten Alptraum, stehe ich dann etwas später in der Umkleide. Eingehüllt in eine Art Winterparka mit fake four. Das falsche Fell ist sorgfältig eingenäht und hält, bei Einhaltung der korrekten Reinigungsabfolge, jahrelang, wenn frau der Beschreibung auf dem Etikett Glauben schenken will. Eine andere Kundenberaterin hat sich derweilen an mich ran gepirscht und steht mit diebischem Bleechinglächeln vor meinem Garderobenvorhang. „Gefällt Ihnen das Modell? Darf ich Ihnen eine andere Grösse bringen?“ Ja genau. Darf sie das? Ich stehe vor dem Spiegel und fühle mich wie Leonardo Di Caprio in seinem neusten Film „The Revenant“. Nicht ohne mein Fell, hat sich der wohl gedacht und ich drehe und wende mich in dem grellen Licht und versuche herauszufinden, ob der Parka alltagstauglich ist oder die undefinierbare Farbe von Eierschalenlachsbeige meinem dunklen Sommertypen gerecht wird, oder eher nicht. Zudem wiegt die Jacke eine halbe Tonne, glücklicherweise habe ich nicht vor darin durch halb Alaska zu robben. Ich bin plötzlich sehr müde und die Hintergrundmusik des Geschäfts lässt mich schier erschauern. „Ja, bitte gerne eine Nummer kleiner.“, rufe ich durch den glänzenden Vorhang hindurch und stülpe mir die Kapuze des Parkas über. Hm, ja mit passender Frisur, könnte da echt noch eine Freundschaft entstehen zwischen mir und dem fake Parka. Um dreihundert Franken ist sie runtergesetzt – eigentlich wirklich ein Saleschnäppchen… Keine Minute später wird mir das gewünschte Modell durch den Vorhangspalt gereicht.

„Die Farbe steht Ihnen wirklich hervorragend und diese Grösse passt Ihnen wie angegossen.“, säuselt Madame Lügnerin gekonnt und ich schaue sie mit hochgezogener Braue an. Angegossen? Eher wie ein angeklatschter Fell-Kartoffelsack, geht es mir durch den Kopf. Wieso nur habe ich mich dazu überreden lassen, die Umkleide zu verlassen, um dieses Schauerspiel nun vor mehreren Spiegeln in freier Natur weiter zu führen? Ich höre die Dame schon in die Hände klatschen vor lauter Freude, mir einen derartigen schlechten Kauf aufgeschwatzt zu haben. Grummelig verziehe ich mich wieder in die Garderobe und murmle etwas von „…überlege es mir noch…“ und ziehe wieder meine alte aber heissgeliebte Lederjacke an.

Beladen mit den beiden schweren Parkas, verlasse ich die Umkleide und steuere auf die Kleiderständer zu, an welchen sich die Winterjacken zuvor befanden. Nein, solch schwere Felle hänge ich mir sicherlich nicht über. Etwas stolz über meine Entscheidungsfindung, dieses Kleidungsstück nicht zu erstehen, mache ich Halt vor dem Ständer und hebe die Bügel schwungvoll an die Stange. Schwungvoll!

Und es kommt wie es kommen muss – in Zeitlupentempo fällt der Ständer nach vorne und stürzt sich auf die anderen drei Kleiderständer, welche vor ihm stehen. Der Dominoeffekt ist unschlagbar und ich schaue dem Spektakel hilflos zu. Alle Jacken und Kleider fallen zu Boden, mit einem lauten Kabum schlittert die Metallstange des letzten Ständers gegen das Glas des Treppenhausgeländers. Die Sale-Plakate rutschen wie kleine Curlingsteine über den weissen Boden und ich würde gerne mal kurz Eisfischen gehen und im Erdboden versinken. Madame Chanel aus dem ersten Stock hält sich die Hände vor den Mund und Madame „Passt-wie-angegossen“ hält sich ergriffen an ihrem Seidenschal fest. Gerade als ich mich bücken will, um eine der vielen Jacken aufzuheben, entreisst mir eine dritte Verkäuferin das 469.- Franken Einzelstück und zischt säuerlich: „Lassen Sie dies bloss liegen. Wir machen DAS schon!“ Ihre beidhändige Wischgeste und ihre um Oktaven zu hohe Stimme, gibt mir unmissverständlich zu verstehen, dass „das“, wohl den Schaden auf dem frisch gebohnerten Boden meint, welchen ich gerade angerichtet habe. Spätestens jetzt hätte ich gerne die Courage von Julia Roberts, als diese in Pretty Woman auf dem Rodeo Drive mal der High-Society der Ach-so-besseren-Detailhandelsverkäuferinnen die Leviten liest. Aber die Julia Roberts Gene sind gerade in mir nicht abrufbar, deshalb entscheide ich mich für das klassische Fluchtverhalten und verlasse das Geschäft, einige undefinierbare Entschuldigungen stammelnd, schlagartig.

Draussen auf der Strasse dann die Erkenntnis des Tages: Nächstes Mal wieder Sale bei H&M. Da liegt sowieso schon alles auf dem Boden.

 

 

 

§30 · Januar 25, 2016 · Allgemein · (No comments) ·


Sie kneift sich in die Wangen, das Blut strömt in ihr Gesicht. Hätte sie zuvor gewusst, dass sie danach drei Tage lang blaue Flecken davon tragen wird, hätte sie es gelassen. Aber frau will natürlich möglichst frisch wirken, mit einem Teint wie aus Ebenholz, Wangenrot wie Pfirsiche und Lippen so rot wie Blut. Märchengeschädigte Mädchen glauben eben noch an den Traumprinzen. Oder so. Der Zug kommt knatternd zum Stehen und alsbald steht sie verlassen auf Gleis 12 und von ihm – wie auch nicht anders zu erwarten war, keine Spur. Mit ausgestreckten Armen stehe er dann auf dem Bahnsteig, egal wann sie ankomme. Sie hätte es sogar schriftlich, für rechtliche Schritte, HA!

Zur selben Zeit steht er auf Gleis 16 und fragt sich, weshalb er das gerade tut, was er tut. Eifach öppis. Und dann noch aus Basel. Immerhin mag sie Glühwein, schiesst es ihm durch den Kopf und er drückt nochmals auf Shuffle bei seiner Zufallsmusikliste, welche er so gerne betätigt und als Alltagsorakel einsetzt.

Sie und er finden sich schliesslich trotzdem noch, abseits des berühmten Swarovski-Tannenbaums und beide sind belustigt, ob der dazu passenden Mobiliar-Schadensfall-Werbung. Kreative Köpfe, die von der Mobi.

Aus dem Hauptbahnhof raus durch die wohl „berühmteste Strasse“ von Zurigo, – so er. Sie so: LIFTMUSIK… Wo sind wir? Wohin gehen wir? Shit, sie könnte eigentlich bereits auf Toilette… Liftmusik…

Es folgen Brücken, Gebäude, Waisenhäuser und Gefängnisse. Hellbegeistert erzählt er ihr vom singenden Weihnachtsbaum, dem Schlittschüehndle und der kalten Lucy. Sie gehen im Eiltempo und Madame kommt der Gedanke auf, dass sie wohl besser Wanderschuhe montiert hätte, statt der Turnschuhe. Gerne würde sie mal stehen bleiben und ihn von vorne lange ansehen. Das Nebeneinandergehen und sich seitlich verstohlene Blicke zuwerfen ist anstrengend und ihr Faible in einen Laternenpfahl zu rattern nicht so unwahrscheinlich, wie ihre Lebenserfahrung ihr schon des Öftern aufgezeigt hatte (in Gedenken an die heissgeliebte Sonnenbrille, welche damals zu Bruche ging, als SIE ihm beim Öffnen ihres Discmans (!), stolz die neue CD präsentieren wollte).

Endlich! Glühwein! Sitzen auf Fellen unter einer Balustrade aus Holz. Wildromantisch, heimelig die Architektur und ihr Gegenüber erzählt von Bullen, Flucht und Verhaftung. Aha, sooo einer also. War ja klar. NACH DEM Heiratsantrag per Whats App ist VOR DEM Mandat und dem Kripo-Verhör… Sie nimmt kräftige Schlucke und schaut ihm in die Augen. Oder waren es die Lippen? Sie muss wohl heftig hin und her gezuckt haben mit den Augen, geht es ihr nachträglich durch den Kopf.

Immerhin ist es ihm nicht ganz entgangen, dass sie bereits etwas schlottert und er schlägt vor, ins Warme zu gehen. Erleichterung macht sich breit, schliesslich hatte sie ihr schulterfreies Shirt (für das es gopferdammi eigentlich einfach doch zu kalt ist) nicht umsonst montiert. Sie steht auf schultfrei. Sexy aber nicht billig. Männer mögen nämlich gar keinen Ausschnitt. Sie mögen die Andeutung von „Was steckt da wohl noch drunter?“. Osterhasenpädagogik. True!

Niederdörfchen, Saftladen, Milchbar, Cabaret Voltaire, schrecklicher Sneakerstore, Süskindparfümerie… Er hofft inständig, sie möge kein Geschäft betreten. Shopping is heute nicht. So auf gar keinen Fall. Sie weiss natürlich, dass er das nicht will und deshalb geht sie an den für sie neuen Shops gleichgültig vorbei und würdigt sie keines Blickes.

Der Abend legt sich wie ein Schleier langsam aber sanftmütig über die schöne Stadt, mit ihren abertausenden Schicksalen und Geschichten. Die Beiden marschieren mit Fussgänger-GPS in die Hotzenstrasse. (Hotzenplotz läuft übrigens jeden Mittwochnachmittag im Kindertheater – für alle Märchen- und Geschichtengeschädigten weiblichen Leserinnen hier ).

Sie wollen eine Wohnung besichtigen, doch seine Stimmung ist plötzlich auf dem Nullpunkt. Sie hat kalt. Kolleg Essig, der eigentlich mit sollte an die spontane Wohnungsbesichtigung ist bei der Haarentfernung (man glaubt es kaum). Bei der Haaaaaarentfernung. Seine Stimmung ist unter dem Nullpunkt, sie wartet auf die ersten gefrorenen Schneekristalle, die aus seinem wohlgeformten Mund herausflöckeln. Er will nicht alleine besichtigen, sie drängt ihn. Fehler. Es steht ihr ja auch nicht zu. Beide drehen wieder um, Madame ist beleidigt. Sie weiss auch nicht genau weshalb. Er hätte sie ja mindestens beim Warten am Gartenzaun endlich mal zu sich ziehen können. Einfach eine SIE frieren lassen, ist jetzt nicht gerade sehr Don-Juan-mässig.

Sie besichtigen dann trotzdem, drehen also wieder um. Im Treppenhaus dann die Überraschung: Zur Wohnung gehört ein direkter Zugang zur Dachterrasse. Nachdem sie bereits den vom Nachbarn stecken gelassenen Schlüssel im Flur drehen und ihn somit einsperren wollte, dreht sie dann komplett ab, als sie ihm zu verstehen gibt, dass die dunkle Treppe hoch zur Dachterrasse ja eigentlich noch nett für ein Quickie wäre. Ein bisschen lustig findet er diese gewagte Idee dann eben doch. Erleichterung bei ihr.

Sein schwarzer Humor, seine Ironie begeistern sie. Sein gespieltes Desinteresse an ihr macht ihn umso interessanter für sie… Trotzdem taugt die Wohnung nichts. Kopfschüttelnd und alle Negationen der ex-potentiellen (nicht zu verwechseln mit exponentiellem Wachstum in mathematischer Hinsicht) Wohnung aufzählend, verlassen sie die Hotzenstrasse.

Danach geht’s in ein Lebensmittelfachgeschäft. Bestaunung der am Knochen gereiften Rindfleischrinder. Frau will es natürlich genau wissen, er will eigentlich nur endlich essen. Nach einem Vortrag des Fleischfachverkäufers über Milchsäurebakterien, die das Fleisch, so knochengereift wie es ist, dann hochwertiger werden lassen, verlassen die Beiden im Hinblick auf leckeres Essen dann recht heiter das Geschäft.

Die Überraschung dann in seiner Wohnung! Es riecht einfach verdammt lecker nach Vanille (ist also nicht sein Eigenduft, wie frau darauf schlussfolgert) und nach verschmutzten Pfannen, dreckigen Socken und WC-Rollen neben seinem Bett, sucht ihr geschulter Blick vergeblich.

Der Rotwein mundet, das Fleisch gart nieder im Ofen, er erzählt staunend seinen Freunden über diese ihre Fähigkeit, Fleisch anzubraten und es dann im Ofen fertig köcheln zu lassen. Aber sie ist ja schliesslich auch ein Ofen. HA!

Sie ist einwenig stolz, wie sie per Dampfabzuglampe, mit zwei Rechaudkerzen und adrett gefalteten MC Donaldsservietten ein Ambiente eines Fünfsterne-Lokals hingezaubert hatte und er glaubt zuerst noch, sein Mitbewohner, sei dafür verantwortlich zu machen. Ernsthaft? Echt jetzt???

Dann kommt es, wie es kommen muss. Er küsst sie lange, innig und ausgiebig am Herd. Glücklicherweise hat sie kurze Füsse – passend für Frauen, die am Herd stehen müssen. Da gehören Frauen ja auch hin (IRONIE Feministinnen!). Seine Küsse sind aus Samt, schmecken nach Regentropfen, die ans Fenster prasseln, nach Luftpolsterfolie, frischem Kaffee, sind bordeauxrot und ersetzen jedes Dessert in Form eines Vermicellebechers. Wirklich.

Dazwischen packt er sie leidenschaftlich an den Haaren, beisst ihr in den Hals und in jede andere Körperstelle, wirft sie hin und her in den Laken und hält ihr Gesicht in seinen Händen. Ihr Haare verheddern sich in seinen ledernen Armbändern, er zieht sie auf sich , neben sich und an sich und Vanilleduft benebelt ihre Sinne.

Rauchpause. Weiter trinken. Flasche die Zweite.

Um einen Kollateralschaden mit ihr und seinen in der Küche anwesenden Freunden und ihrem bloss mit Spitzenstrümpfen bestrumpften Po zu vermeiden, schickt er sie dann ins Zimmer. Sie erschrickt ob seiner klaren Ansage. Sie zittert innerlich ein wenig. Ihr rotweingeschädigter Kopf kann nicht mehr klar denken. Schön, dass er für sie mitdenkt. Denkt sie noch. Oder denkt sie, was denkt sich DER eigentlich? Kopfweh. Müdigkeit. Aber irgendwie trotzdem alles sehr wohlig und angenehm.

Als sie in der Nacht erwacht, liegt sein Arm um ihren Körper. So daneben war sie dann wohl zum Glück doch nicht. Erleichtertes Weiterschlafen ihrerseits.

Nach dem Sex am Morgen, legt er sich schnaufend neben sie. Es war ein Kraftakt, ein nimmer enden wollender Ritt, mal wild mal langsam. Heiss und kalt. Dunkel und hell. Sie hatte es gemocht. Diese beiden Seiten an ihm – unbezahlbar. Auch nicht mit VISA.

„Alles okay bei dir?“, fragt er lächelnd. Sie lächelt zurück. Oh ja. Schwer okay sogar. Er legt seinen Arm um sie.

Im Märchen wäre hier jetzt das Happy End. Und sie lebten glücklich und zufrieden bis das BLABLABLA… Welche bekloppte jungfräuliche Jungfer hat sich diese Storys wohl ausgedacht? Oder waren es wohl doch die Gebrüder Grimm? Die hätten sich wirklich grimmigere Dinge ausmalen können. Oder soll man sagen – realitätsnähere?

Zwei Minuten später zieht er seine Beine an – und schiebt sie dann mit seinen Füssen aus seinem Bett. Untermalt mit den Worten „Und jetzt verpiss dich“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(Am Vorabend hatte er ihr dummerweise erzählt, dass er so mit seinen One-Night-Stands verfährt, wenn er sie endlich loswerden will.)

Sie hockt sich auf die Bettkante und sieht das Bügelbrett. Wäre da jetzt das Bügeleisen, würde sie ihn damit erschlagen. Notwehr – damit käme sie locker durch. Dank der vielen grünen Bissspuren, die sich bereits wie ätzende Geflechte über ihren sonst so hellen Körper legen, hätte sie sogar Beweise. Bissspuren, so bittersüss sie in der Nacht auch waren, können so bitterböse am nächsten Morgen erscheinen.

Sie könnte heulen und wimmern, toben und fluchen. Aber innerlich zittert es nur. Scheiss auf: „Zuneigung geht durch den Magen.“ Wäre doch bloss noch am knochengereiften Rindfleisch ein Knochen dringesteckt. Hätte der sich dran verschlucken können  und sie genüsslich rotweinsüffelnd zusehen. (Notwehr wäre hier wohl dann nicht mehr so locker abgekauft worden von der Kripo?) Ihre Gedanken überschlagen sich beim hastigen Anziehen. Nur nicht heulen, denkt sie sich.

Er ruft auf den Flur hinaus : „Den Jogurt kannst du aber schon noch essen!“. Oha. Was kümmert ihn nun noch ihre zuvor angedeutete Unterzuckerung?

Die Küche sieht miserabel aus. Das Nichthoniglas liegt zersplittert auf dem Boden. Hat die Session auf dem Küchentisch zwischen ihr und ihm nicht durchgestanden. Normalerweise würde sie nun lächeln, jetzt könnte sie schreien.

Trotz allen abstrusen Gedanken, will sie ihn noch einmal küssen. Ein wohl letztes Mal. Sie zieht ihn zu sich heran und küsst ihn. Leider schmecken seine Küsse immer noch samtig, vanillig, bordeauxrot und regentropfenprasselig. So ein verdammter Mist aber auch!

Im Zug zurück in ihre Stadt, macht sich dann Dumpfheit in ihr breit (vielleicht auch etwas DuMMheit, da sie alle Geschehnisse immer und immer wiederkehrend rekapituliert). WIESO mit den Füssen aus dem Bett geschoben werden? Kann sich frau ja direkt unter den Zug werfen, ne…

Und dann plingt ihr Handy. Und die zwei roten Quadrate, welche mit zwei Minusstrichen voneinander getrennt sind und seinen Namen in der Mitte umgeben, blinken auf. Sie kann nicht anders – sie beginnt endlich zu lächeln und hört auf zu denken.

Und die Ironie der Geschicht`? Ironie verträgt sich mit Ironie nicht nicht…

 

 

§28 · Januar 5, 2016 · Allgemein · (No comments) ·


In Tagen wie diesen besinnt sich frau, was das vergangene Jahr an Früchten und Schimmelpilzen so allerhand feil bot.

In den Gesprächen mit den besten und engsten Freunden (und zu diesen tiefsinnigen und gesprächslastigen Momenten kam es in letzter Zeit aufgrund der Feiertage häufig) wurde klar: schlimmer geht immer… Eigentlich gibt es für die Monate im 2015 nur einen Ausdruck: Sie waren schlicht massiv! Eskalation pur auf jeder Ebene!

 

Nachdem ich nun endlich meinem frechen Auto, die ihm längst zustehende Sonderbehandlung gönnte (Behängung mit Vanille-Duftbäumchen, Getränkehalter auffüllen mit wohlriechendem Potpourri, aussaugen mit Staubsauger „deluxe“ und abspritzen mit der mir nicht schon immer so wohlgesinnten Wasserlanze „hardcore“) fuhr ich mit The Bee Gee´s im Radio zurück in die Stadt. Alle Erlebnisse, die mir in letzter Zeit zu Ohren kamen, tanzten wie verrückt durch mein Oberstübchen.

 

Da gab es G. aus B., welche mit ihrem Prinzen nach etlichen Dates mit Racletteabend bei Kerzenschein, Rotweintrinkerein in der Badewanne, Klamottenkaufereien, afterpartydurchzechten Nächten und viel Netgeflixereien feststellen musste, dass der werte Einhornreiter gleich mehrfach jagend durch die Wälder flitzte. So in dieser Konstellation für eine junge Frau aus dem 21. Jahrhundert nichts aussergewöhnliches (jaaa ja liebe Mamis, Gottis, Tantis und schockiert blickenden älteren Damen) und somit locker zu überwinden. Wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass der vermeintliche Traumprinz am letzten Date, der G. aus B. noch seine selbstgekochte Bolognaisesauce zum Abschmecken darreichte. G. brachte leidenschaftlich ihr gesamtes Know-How mit ein (Zucker!) um sich dann Stunden später beim Kaffee, nach vielen Küssen und häufigem Kniegetätschel anhören zu müssen: „Oh ich muss los! In einer halben Stunde kommt mein Date vorbei und ich hoffe, dass ihr meine Sauce schmeckt. Du weisst ja, Sharing is caring! Tschüss!“… Adieu!!!

 

Oder S. aus L., welche sich in den heissen Sommertagen unsterblich in einen Wirt verliebte. Sie schwärmte unglaublich stark für ihn und sah sich schon mit dem Wirtenpatent unter dem Arm, mit vielen süssen Babys im gemeinsamen Gault Millau preisgekrönten Hotel stehen. Wie haben wir doch hinter ihrem Rücken unsere Köpfe geschüttelt und gehofft, dass sie sich von dieser Schnapsidee bald wieder verabschieden möge. Doch S. aus L. blieb hartnäckig (die Hitze ist nachträglich an allem Übel schuld) und blinzelte dem Herrn verliebt entgegen. Wer nichts wird, wird Wirt – oder halt eben einfach ein Unhold der Gefühle mit Füssen oder in unserem Fall mit Kochlöffeln tritt (haut?). Nach der Affäre, die nach Aussagen von S. sehr leidenschaftlich und hingebungsvoll verlaufen sei, meldete sich der Wirt nie wieder. NIE WIEDER. Auf keine SMS, auf keinen ihrer versuchten Anrufe, keine Reaktion auch auf das Rücksenden seiner Ray Ban Sonnenbrille. Tränen, Tränen, Tränen (auch ohne Zwiebeln zu schneiden), begleitet von gebrochenem Herzen an einer Sauce  von schlechter Laune und „das Leben hat keinen Sinn mehr“ – Garnitur. Vorbei… Zwei Monate später dann die Nachspeise in Form einer SMS. „Liebe S. aus L. Es ist nicht so, dass ich dich dumm fände oder dergleichen. Ich habe mich einfach in eine andere Frau verliebt. Alles Gute!“

Ja… Bon App!

 

Oder da gab es M. aus Z. Diese lernte IHN an einem Konzert kennen. Bereits eine Stunde später wollte dieser um ihre Hand anhalten und sie war bekannt mit seinen dreissig anwesenden Kumpels. Geduldig wie er war, gab es bereits nach zwei Stunden den ersten Kuss, zu dem die Kollegen freudig applaudierten. Sie habe sich wie im Himmel gefühlt, erzählte damals eine verklärt dreinblickende M. aus Z. und strich sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht.

Das nächste Treffen fand bereits am nächsten Wochenende statt und sollte, wie der erste Abend, wieder feucht-fröhlich enden (zumindest für den einen Teil der Beiden).

Nach dem Begrüssungskuss die Frage aller Fragen: „Kannst du mir bitte 100.- Stutz leihen und eine Flasche Vodka kaufen gehen?“. M. aus Z. war irritiert. Handelte es sich hier nicht um ein Date? Doch liebestrunken wie sie war, marschierte die Dame zum nächsten Geldomat und Drinks oft the World Shop, um das Gewünschte ihrem Angebeteten zu reichen. Nun, vielleicht würde er ja nun mit dem Vodka coole Drinks aus fancy Plastikbechern aus seinem Rucksack zaubern. Frau kann nie wissen! Das Date hätte spätestens hier noch eine angenehme Wendung nehmen können, doch statt den Abend mit M. aus Z. zu geniessen, schleppte er sie vor einen Club und eröffnete ihr freudestrahlend beim Türe aufhalten (romantisch!), dass sie nun beide als Überraschung an die Geburtstagsparty einer seiner dreissig Freunde gehen würden. Alle Gedanken an nette Gespräche und traute Zweisamkeit verabschiedeten sich schleunigst und M. aus Z. trottete ihm lustlos hinterher. Zwei Stunden später kannte sie jeden aber wirklich auch JEDEN der anwesenden Gäste, von ihrem Date oder gar ihrem bezahlten Vodka fehlte jedoch plötzlich jede Spur. Zum Glück wurde M. von ihrer Freundin O. abgeholt, welche ihr die Nase putzen half und sie in ihr Bett brachte.

 

Ich bin mir nicht ganz sicher ob die folgende Geschichte noch zumutbar ist, es juckt mich jedoch in den Fingerspitzen, die nachfolgende Begebenheit für alle Nachkommen schriftlich festzuhalten.

 

Nach dem Einhornjäger, dem Wirt und dem Vodka-Geld-Schnorrer, gab es da noch jenen mit dem „kleinen“ Problem.

N. aus S. war da auf einer Party gelandet und wollte eigentlich nur noch nach Hause, Trainer, Chips und gutes Buch. Aber wie es halt so ist, laufen einem genau an diesen Abenden dann doch noch interessante Menschen über den Weg. Obwohl N. aus S. keinerlei Interesse am männlichen Geschlecht kund tat – und genau dies spürt diese Spezies, dessen bin ich mir ganz sicher, wurde sie andauernd angesprochen. Leicht genervt, da sie jeweils ihr intensives Gespräch mit ihrer Freundin unterbrechen musste, liess sie sich dann doch auf einen „Öppis mit öppis“-Drink von einem Fremden einladen. Der Drink schmeckte lecker und der Unbekannte hatte Humor, schöne Lippen und roch ausserordentlich gut („Sich gut riechen können“ – Nummer 1 Punkt auf der Must-Have-List der N. aus S.)

Man verabschiedete sich Stunden später volltrunken und aufgeregt Nummern tauschend.

Am anderen Tag bemerkte N. dank dem Anzeigebild von Whats App, dass der Gutriechende wohl bereits in einer Beziehung steckte. Sie machte nicht lang Fäderläsis und fragte ihn direkt danach. Ja, dem sei so, die unverblümte Antwort. Nun gut, der Schaden war ja noch bescheiden. Ausser den drei obligaten Abschiedsküssen war nichts geschehen. N. aus S. löschte seine Nummer und wandte sich wieder den wichtigen Dingen des Lebens zu (Affenbabys retten, dritte Säule starten, Ölwechsel an ihrem Wagen vornehmen).

Zwei Wochen später meldete sich der Mister wieder bei N. Er brauche dringend jemanden zum Reden. Dringender als dringend. Nur sie können ihn wohl verstehen. N. war kurz misstrauisch, aber ihr grosses Herz konnte den armen Tropf nicht einfach hängen lassen. So traf man sich auf Kaffee bei ihr in der Küche. Nach langem Smalltalk (Bigtalk wäre hier wohl der bessere Ausdruck), kam der Gute dann langsam zur Sache.

Seit zwei Jahren in einer Beziehung, immer glücklich, alles gut. Doch nun die Krux an der Geschichte. Er hatte seit drei ewig erscheinenden Monaten keinen Höhepunkt mehr. Mit ihr. Unmöglich. Rien ne va plus!

Öhm, nun gut. Was er ihr damit denn sagen wolle, fragte N. aus S. mit hochgezogener Braue nach (und dies kann sie ausserordentlich gut!). Nun er habe sich gedacht, da ihm N. seit der Party nicht mehr aus dem Kopf gehe und er jeden Tag nur noch an sie denke, dass sie ihm bei seinem kleinen Problem behilflich sein könnte.

Die Augenbraue von N. rutschte nochmals gefühlte fünf Zentimeter höher. Sie verstehe nicht ganz? Ob er denn schon mit ihr darüber geredet habe? Oder ob er sich wünsche, dass N. mit ihr darüber spreche? Die Verwirrung von N. war gross. Sie kam schlicht nicht dahinter.

Nein, nein, reden könne er natürlich selber, tat er missbilligend ihr Angebot ab. Aber ihn beschleiche langsam die Angst, dass er nie wieder kommen könne…

N. lächelte etwas abschätzig und meinte geringfügig, dass er sich darüber wohl nicht allzu grosse Gedanken machen müsse. Mr. Gutriecher beugte sich über den Tisch und stütze sich leicht mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab. Sie verstehe wohl nicht, meinte er mit Nachdruck, er wolle sie fragen, ob sie nicht bei ihm feststellen könne, ob bei ihm noch alles „intakt“ sei. Er würde es gerne einmal mit N. probieren…

Hätte N. ihre Mimik nicht stets perfekt im Griff gehabt, hätte es durchaus sein können, dass sie ihm ihre Augenbrauen in sein Gesicht geschleudert hätte. Sie entschied sich jedoch für den bereits kalten Kaffee, untermalt mit den Worten, dass es sich hier um ihr zu Hause und nicht um ein Bordell handle und er unbedingt Land gewinnen solle, bevor sie seine Freundin über seine unverschämte Forderung in Kenntnis setzen würde.

 

Gerne würde ich an dieser Stelle schreiben, dass jegliche oben erwähnten Anekdoten frei erfunden sind, doch dem ist leider nicht so.

Denn sie (die Typen) wissen nicht, was sie tun.

Sie machen einfach irgendwas.

Eifachd öppis.

Eifach so.

Zum Glück sind diese Tatsachen nicht alle der gleichen Lady widerfahren. Das Leben achtet ja schon darauf, dass sich solche Miseren gut auf die Frauenwelt verteilen. Ansonsten müsste man diese wohl nun in der Abteilung für Verrückte/ Herzgeschädigte in einer Klinik besuchen gehen.

Aber dieses Jahr mit seinen zwölf neuen unbefleckten Monaten wird anders.

Versprochen! 🙂

 

Mylena Fortune

 

 

 

§25 · Januar 4, 2016 · Allgemein · (No comments) ·


Vollbepackt mit Einkaufstüten stehe ich im Flur der ehemaligen Jugendherberge und vor mir warten drei enge Stockwerke mit unzähligen Treppen auf mich. Die erste Pause gönne ich mir und meinen von den Henkeln der Hipsterbeutel malträtierten Schultern bereits vor der ersten Eingangstüre. Diese führt ins Reich der Architekten. Zwei in unterschiedlichen Rottönen verschmierte Kussmünder zieren die sonst makellos weisse Türe. Ich ertappe mich dabei, wie ich zu schmunzeln beginne. War wohl mal wieder ne interessante Nacht bei der Lady, welche hier im Eifer des Partygefechts, die Türe zugeknutscht hat. Da wär mir ja persönlich der Lippenstift zu schade für…

Im ersten Stock schlägt mir Knoblauchduft und undefinierbar Leckeres entgegen. Samstagabend – es gibt noch Menschen, die kochen.

Im zweiten Stock, (da steht seit Jahren in dicken schwarzen Lettern „Hier“ an der Türe und ich denke jedes Mal: „Nein, da!“ wäre ein nettes Wortspiel für die unsrige Türe ein Stockwerk darüber) wie immer nichts auffällig Unangebrachtes. Keine Geruchs- oder Lärmbelästigungen, keine Kussabdrücke, keine Schuhe, über die es gilt, sich darüber zu hieven.

Im dritten Stock stellt sich dann endlich das Gefühl des „Nachhausekommens“ ein. Seit Monaten hängt die schwere Lampe an den drei Stromkabeln wie ein Damoklesschwert über dem verdreckten Eingangsteppich namens „Boris“. Für neunzig Rappen aus der Ikea kann da auch niemand eine ernsthafte Schmutzabwehrung erwarten, nee du! Bereits vor der Türe hört man Ben Hur (DJ), der seinem Hobby frönt und am Laptop seinen Sound für die Nacht im Club bereitmacht. Mir als Laie wurde dies mal von Menschen, die sich mit derartigen Geräuschkulissen auskennen, als „harte Undergroundmusik ohne Melodie“ beschrieben. Sei´s drum, es klingt auf jeden Fall interessant, böse und irgendwie passend für alles was hinter der Damokleslampe noch auf allfällige Besucher warten wird.

Ich sperre die Türe auf und mir schlägt der Undergroundsound ungefiltert entgegen. Er wabbert durch den ellenlangen Flur, dem sogenannten Catwalk (der Flur unserer Wohnung erstreckt sich über drei lange Wohnhäuser und ist eindrücklich) und aus der Küche schreit Dirk Dodge (Musiker)laut nach einem Mixer. Im Zusammenhang mit Küche und Mixer denken Normalos an Küchenmixer, so ein Teil, wo man sich Früchte reinschmeisst und leckere, abartig grüne Smoothies damit zaubert. Richtig! Diesmal ist auch solch ein Mixer damit gemeint. Es gab aber auch schon den Fall, dass sich Ben Hur einen Mixer kaufen gehen wollte und wir ihn alle erstaunt anschauten. „Habt ihr denn keinen Mixer in eurem Studio?“, staunte Pat Punch (ebenfalls Musiker) und gab ungefragt die besten Adressen der Stadt bekannt, an welche sich Ben Hur wenden könnte, um den preisgünstigsten, jedoch qualitativ hochstehendsten Mixer des Monats ergattern zu können. Ben Hur erstand seinen Mixer schliesslich bei einem Elektrofachgeschäft, dessen Namen wir hier nicht nennen werden – Abteilung Küchengeräte. Lektion der Stunde: Auch DJ´s wollen ab und an einfach nur einen Smoothie trinken, oder so.

Vesper Vesalius ( ebenfalls Musiker) kommt mir mit entsetztem Gesichtsausdruck entgegen. „Unsere Waschmaschine ist kaputt!!!“ „Nein!“, entfährt es mir, in gleichen Massen entsetzt wie er. Vor meinem inneren Auge sehe ich riesige Wasserlachen, die sich abwechselnd wie Ebbe und Flut durch unsere Toiletten rollen. Aufwischen, auswringen, fluchen, in Schweiss baden, eimerweise stinkendes Wasser auskippen, Telefonate mit Versicherungen, Kämpfe um Entfeuchtungsgeräte, nicht abschätzbare Kosten – etwa die Reihenfolge meiner Gedanken inklusive gefolgt von den dazugehörigen Horrorbildern. „Kaputt“, frage ich mit aufgerissenen Augen. „Ja, mann! Sie färbt alle Kleider rot!“, Vesper Vesalius greift sich dramatisch mit beiden Händen in seine, des Morgens kunstvoll mit dem Ministreckeisen gebügelten, Haare. Rot…Färbt rot…rot…Seine Worte hallen gefühlte dreissig Sekunden in mir nach. Bis ich deutlich ROT sehe! Ja natürlich! Jetzt ist die Maschine nun vollends im Arsch! Kaputt für immer! Bei so einer Rotfärbung, da ist sie reif für die Sperrmüllhalde. Müll! Hochprofessionell, wie mich das Zusammenleben mit den vier Musikern nun langsam gemacht hat, verkneife ich mir mein Grinsen und stelle erstmals meine randvollen Einkaufsbeutel zu Boden. Dirk Dodge schreit erneut etwas von „…und wo ist der Deckel zum Henker?“, aus der Küche und Ben Hur gibt seinem Finale kurz vor dem Clap mit frachtschiffähnlich, dröhnenden Geräuschen, den letzten Schliff. Ja, ich bin zu Hause, sagt meine innere Stimme erleichtert und auch erfreut. Alles wie immer – schööön!

Nach einer kurzen „How To Wash Your Clothes“ – Lektion für Vesper Vesalius (weisse Klamotten nie nie nie, auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen – nein auch nicht wenn`s mal schnell gehen soll und auch nicht im Extraschongang(!), mit roten Baumwollsachen mit waschen), war die Waschmaschine als dann wieder repariert. Ging ganz fix. Schulterklopf für die Handwerkerin. Grins. Doppelgrins.

Ich gehe mit meinen Einkaufsbeuteln, randvoll gefüllt mit deliziösen Mitbringseln aus dem Supermarkt in die Küche. Dirk Dodge versucht sich an kunstvollen Zuckerrandgläsern zu seinen gemixten Margaritas (ich hoffe er hat Tequila verwendet) und geht summend und knirschend mit seinen Hauslatschen über ein Beet aus Zucker, Zwiebelschalenresten und Sirupklecksen. „Bonita, alles klar?“, strahlt er mit seinem typischen Dirklächeln mir entgegen und ich freue mich innerlich über seine gute Laune.

Auf dem Balkon sitzt Pat Punch mit unserem heissbegehrten 2L Wasserkrug – randvoll aufgefüllt mit kaltem Bier. Ich zücke den Bleistift und notiere auf meinem Weg hin zum Kühlschrank auf den WG-Einkaufszettel: Wasserkrüge. Richtige!

„Heute kommen kurz zwei, drei Freunde auf einen Drink vorbei und später gehen wir dann noch runter in die Ecke“, Dirk Dodge grinst breit über seinen Zuckersirup-Tellern und hält prüfend sein zweites Cocktailglas ins Sonnenlicht. Wichtig an diesem Satz und dessen Inhalt sind folgende Informationen, die sich erst nach langwierigem und intensivem Training decodieren lassen:

 

Freunde, zwei, drei = Um die zwanzig Stück, nicht weniger.

Vorbeikommen, kurz = Kommen gegen Mitternacht und bleiben stundenlang.

Drink, einen = Massloses Betrinken bis der Arzt (in unserem Fall die Polizeit) kommt.

Gehen, runter = Es werden noch viele weitere Menschen hochkommen.

Ecke, in die = Alle aus der Eckbar werden rausgehen und hochkommen im Stundentakt.

Ich nicke lächelnd um nicht zu sagen wissend und schaffe im Kühlschrank, welcher schon bessere Zeiten gesehen hat (das Türchen für die Gefrierablage ist abgebrochen und hängt haltlos in den Angeln), Platz frei für mein exquisites Carpaccio mit Parmesanhobeln und Rucolablättchen.

Eine blaue Glühbirne flackert aus einem der Zimmer und ich stehe im ansonsten dunklen Flur. Die Wohnung ist durchzogen von einem Geruchsmix aus Rauch, Schweiss, Bier und andersartigen alkoholischen Getränken. Meine Schuhe kleben am Boden und machen schmatzende Geräusche auf meinem Weg von der Haustüre zur Küche. Zwei Spatzen flattern augenblicklich aus der Küche hinaus auf den Balkon, als ich die Türe öffne. Auf dem Sofa auf dem Balkon schläft jemand. Kapuze hochgezogen und Arme um sich herum verschränkt. Ein Laptop daneben, welches lautstarke Bässe von sich gibt. Ich lege meine Schlüssel neben die Spüe und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Anscheinend gab es Fajitas zum Abendessen, gefolgt von diversen Biersorten-Desserts. Unser Barwagen steht schräg in der Küche, die Flaschen darauf sind horizontal und leer. Unter dem Tisch liegen um die hundert Zigarettenfilter und Zigarettenpapierchen. Die frische Morgenluft weht hinein und lässt mich leicht frösteln. Der Morgen bricht langsam an. An der Schnur, an dem normalerweise ein Feuerzeug festgezurrt ist, hängt eine leere Bierdose mit einem Stück Papier und folgender Aufschrift: „Nehmt DAS ihr Opfer! Dies ist die Rache für die Mozarella-Attacke!“ Am Boden liegen leere Mozarellaverpackungen – mir schwant Böses. Als ich mich über das Geländer lehne, sehe ich unten in den Rosensträuchern knapp neben dem Ping-Pong-Tisch, drei verdreckte Mozarellakugeln liegen. Alles klar. Schlacht um den Ping-Pong-Tisch. Schlacht zu Mozarella. Vielleicht gabs auch deshalb Fajitas und keine Pizzen, überlege ich scharfsinnig.

„Entschuldigen Sie!“. Ich fahre erschrocken zusammen (weil ich SIE genannt werde) und drehe mich in Richtung Küche. Ein junger Man anfangs Zwanzig steht auf einem Kinderroller vor mir. In der linken Hand hält er zusätzlich ein leeres Margaritaglas mit Zuckerrand. „Ich….. bin im…falschen Stock… gelandet.“, kommt es mühselig aber hochkonzentriert, darauf bedacht jede Silbe richtig auszusprechen, über seine Lippen. Er macht einen gefährlich aussehenden Schwenker nach rechts gegen unsere Pinga-Kaffeemaschine. Kurz bevor es ihm hochkommt, dann die Frage, aller Fragen: „Wo sind die Kotzschüsseln?“

To be continued…

 

§17 · Oktober 9, 2015 · Allgemein · (No comments) ·


Wo ein Witz stirbt, wird ein neuer geboren

Eine Abhandlung über die wirkliche Wahrheit des Singleseins im Jahre 2015.

Von Mylena Fortune

Spätestens seit Julia Engelmans Durchbruch mit ihrem Poetry-Slam „One Day Baby…“ im Jahre 2013 und den Social Media Beiträgen zum Thema „Live Life The Real Way“ (besser jemanden in Echt treffen, denn sich stundenlang per Smartphone über eine Distanz von gefühlten 500 Metern zu unterhalten) hat nachfolgende Abhandlung eigentlich keinerlei Wichtigkeit mehr. Dennoch. Das Bedürfnis, die Sonderheiten von jungen Menschen einer Stadt und ihrem sozialen Verhalten zu sammeln (jegliche Übereinstimmungen zu realen Leben sind rein zufällig und willkürlich gewählt) und ungefiltert widerzugeben, besteht bei der Verfasserin dennoch.

Früher (die Verfasserin spricht von einer Zeit vor ungefähr 8-9 Jahren zuvor), galten Freitage als Krönungen der Woche. Dies ist allseits bekannt, auch heute noch brandaktuell, sofern man und frau einem Berufsleben von Montag bis Freitag nachgeht.

Heute beginnt der „kleine Freitag“ am Donnerstagabend und besteht aus „Party-Safari“ (besser bekannt als „Partyhopping“ – Generation Y will sich ja bekanntlich nicht festlegen, ansonsten könnten Verpflichtungsgefühl aufkommen, die unschön einengen und wie gesagt – verpflichtend wirken könnten) mit „vorglühen“. Dies vorzugsweise mit Vodi-Apfelsaft (Moscow Mule wäre zu aufwendig in seiner Mischform und selbstverständlich zu teuer, da die wichtige Zutat Fever Tree Ginger Beer im oberen Preissegment angesiedelt ist). Das Smartphone liegt auf dem Tisch neben seinen anderen sieben Gefährten, einmal gross, einmal kleiner, einmal mit Hülle aus Samt, einmal mit versplittertem Display und die restlichen Aufmerksamkeitsschlucker sterben bald den allseits gefürchteten Akkkutod. Facebook schickt die obligaten Veranstaltungserinnerungen: Mylena Fortune, nicht vergessen! Du nimmst heute an 4 Veranstaltungen teil. Alle gleichzeitig getimet, alle nicht wirklich lukrativ, dennoch – das Image muss ja stimmen, die Frau als beschäftigt, gefragt und beliebt gelten. Bevor die angezeigten Veranstaltungshinweise mit den anderen Vorglühern durchgesehen werden, besteht die eigens entwickelte „Pflicht“, die Facebook-Erinnerungen, welche ebenfalls neuerdings angezeigt werden, zu „screenshoten“ und erneut zu posten und zu teilen („Hey schau mal, vor drei Jahren war´s wirklich so lustig dort im Keller, mit den Unbekannten, die wir nie wieder trafen und mit denen wir dennoch sooo tiefgründige Gespräche hatten.“).

NACH dem Vorglühen ist VOR der Party-Safari. Wenn der undenkbare Fall eintreffen sollte, dass geklärt werden kann, wo es nun hingehen soll (multipliziert man die jeweiligen vier vorgeschlagenen Veranstaltungshinweise mit den sieben anderen Vodi-Apfelsaft-Trinkern auf dem Balkon, kommt man nach Adam Riese auf 28 Ideen, wie der Donnerstagabend sinnvoll genutzt werden kann). Ziemlich sicher hat dann irgendjemand die glorreiche Idee, noch zwei bis drei andere Freunde mit einzubeziehen (grundsätzlich ist daran nichts Verwerfliches zu finden), was die weitere Gestaltung des Abends jedoch erheblich erschwert. Man wechselt zum Medium „Whats App“. Alle stöhnen darüber, wie gefragt sie sind, in welchen tausend Gruppenchats sie sich aufhalten und sie sich gleich morgen löschen lassen werden. Alle reden davon, keiner tut es. Es bestehen gewisse Ähnlichkeiten zu den Credos aller Weltverbesserer, die ab morgen oder spätestens ab dem 1. Januar des neuen Jahres mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport treiben, kein Fleisch mehr essen, endlich die Säule 3a starten, für den Tierschutz einzahlen, das nächste Abstimmungswochenende nicht verpassen und öfters die Oma im Altersheim besuchen gehen wollen. Normal. Sofern dann endlich die erste Location des Abends auserkoren wurde, schickt man erstmals kleine Zeichen, wie die nachfolgenden: „^^“ an alle Kontakte los. Sehr ambitionierte, fleissige Schreiberlinge ergänzen diese Nachricht gegebenenfalls noch mit einem „dayum – gut löifts“ (neudeutschen Hipsterslang, so viel wie „damn“/ „verdammt“). Es grenzt eigentlich an ein Wunder, dass sich die Singles, Hipster, DnB-Liebhaber (Drum and Bass), die Leggings-Hochkrämplerinnen (welche in zehn Jahren an einer neuen Sehnenscheiden-Entzündungskrankheit der Fussknöchel leiden werden, dessen ist sich die Verfasserin sicher), DJ´s und Möchtegern-Partyveranstalter, Rapper, Sängerinnen und Flohmigänger tatsächlich draussen auf der Strasse begegnen und in einen echten sozialen Austausch kommen. Dennoch. Es passiert tatsächlich. Irgendwo läuft (diesmal ohne „öi“) irgendwo ein Beat, ein Drum oder eine Barmaid, den oder die man halt kennt, vorbei. Der Abend scheint gerettet. Für die Begrüssung ankommender Freunde und Bekannt bleibt keine Zeit, denn die Smartphones plingen um die Wette. Zuerst mal alles abchecken, es könnte ja um die Ecke noch was Besseres abgehen. DANGER! Man könnte ja etwas verpassen. So antwortet man halt auf die im Banner angezeigten 10 Whats App-Nachrichten, auf die Frage hin: „Wir hatten doch vor drei Stunden abgemacht. Wo bist du?“ mit: „Chill di Läbe, d´Nacht isch no jung!“. Wer als Frau dann etwas auf sich hält, speichert den Herrn neu ab unter „Don´t answer him“ (antworte ihm nicht mehr) oder löscht ihn komplett aus dem Handyspeicher. Falls es frau dann doch noch in den Fingerspitzen jucken sollte, läge noch ein „WTF“ drinnen (diese Abkürzung sollte selbsterklärend sein, andererseits muss hier festgehalten werden, dass eine Übersetzung dieser drei Buchstaben nicht jugendfrei wäre). Vorzugsweise ergänzt frau die Nachricht noch mit dem Emoticon Smiley mit den weitaufgerissenen Augen (falls Sie, liebe Leserschaft dieses Smiley noch nie erhalten haben, gratuliert Ihnen die Verfasserin herzlich –Sie gehören einer vom Aussterben bedrohten Spezies an, was bald schon wieder als „hip“ gelten wird).

Bislang könnte der Abend sowie das Wochenende noch vielsprechend werden, wohlgemerkt, es ist ja erst Donnerstagabend! Die Ersten beginnen sich nun in Diskussionen rund um neue Erkrankungen bei zu häufigem Marihuanakonsum und dem Beizensterben der Stadt, zu verstricken. Will man den Nörglern Glauben schenken, müssen sie „morgen wieder früh raus…“. Deshalb verabschieden sie sich hastig, natürlich per Kopfnicken gen die Gruppe. Bloss keine Emotionen zeigen, sich nicht outen, egal in welche Richtung. Das höchste der Gefühle ist ein High-Five-Klatsch und weg ist die Person. Frau wird das Gefühl nicht ganz los, dass Facebook bloss einen weiteren Veranstaltungshinweis losschickte, um den Beginn des realen Gespräches direkt im Keim zu ersticken.

Für die übriggebliebenen Gauner und Ganovinnen beginnt nun der eigentliche Stress des Abends. Einige stehen auf der Guestliste des Clubs, vor dem man die letzten zwei Stunden gestanden und auf dem Smartphone rumgedöggelt hat. Dies sind die privilegierten Personen des kleinen Freitages. Personen, die es auf die Guestlist schaffen, haben Beziehungen zu den angesagtesten DJ´s der Stadt. Denn DJ`s dürfen ihre Freunde auf die Guestlist machen. Einlass auf 100 Pro und zurück. Auch wenn die Frisur nicht stimmt oder das Shirt vom kleinen Donnerstag (Mittwochnacht) noch nach „Mir stösst´s gleich sauer auf, hattest du mal wieder Verdauungsprobleme?“ stinkt. Dann gibt es noch die „Friendslist“. Aufmerksame Leserinnen und Leser können es sich bereits denken – Friendslist, ist etwas für die weniger Privilegierten. Sie gelten als Freunde, sind es natürlich jedoch nicht, bezahlen aber immerhin einen geringeren Eintrittspreis, als die ganz listenfreien, Unprivilegierten. Auch hier, Zweiklassensystem, Kastensystem, Rassimus auf neuem Niveau. Falls man sich auf keiner der beiden Listen wähnt, ist man wohl so klug genug, den kleinen Freitag gar nicht erst mit Privilegierten zu zelebrieren. Falls doch, müsste man sich spätestens jetzt für die Option „Coop-Pronto-Gang“ entscheiden, dort eine Dose Bier (Mist, Club Mate gibt’s dort noch nicht!) kaufen und sich mit dem Rheinufer, statt des ultrahippen, berlinstylemässigen neuen Club´s zufrieden zu geben. Dort kann man dann auch wieder „…planlos vor dem Smartphone hängen“, wie es Julia Engelman so treffend in ihrem Poetry-Slam nennt. Während man trotz Guest- und Friendsliste in der Warteschlange steht, bleibt doch tatsächlich Zeit für reale Konversation. So wird geklatscht und getratscht wie früher. Frau erfährt Dinge, die ebenfalls mit Listen zu tun haben. Anscheinend ist es äusserst praktisch, sich als vielbeschäftigte Rendez-Vous-Gängerin eine Liste anzulegen. Dies ist grundsätzlich nichts Neues, hatten ja schon die Dandys der 20er Jahre. Diese kleinen schwarzen Notizbücher mit den verbotenen Namen, die zu noch verboteren Tages- und Nachtzeiten eingetragen wurden. Montags Peggy Marie Sue, Mittwochs Lucille, Freitags Sally Lou und danach noch Ginger Ale Haley, oder so. Die Listen, so wird frau aufgeklärt, seien durchaus praktisch. Denn so bringe man die Geburtsdaten, die Berufe und Studiengänge sowie die jeweiligen Vorlieben des Dates (Veggie, Vegan, Low-Carb, No-Carb…) weniger oft durcheinander.

Wiederum eine der Damen, die vor dem obengenannten Club in der Schlange steht, vermisst seit Stunden eine Bestätigungs-SMS ihres neuen Listenanwärters für das seit Tagen vorher vage vereinbarte Date am Freitag. Sein Handy wurde sicherlich von Ausserirdischen entführt, dieser Tatsache ist sie sich sicher, deshalb wählt sie sorgfältig und nachsichtig die Worte in ihrer sechsten, noch von ihm unbeantworteten, Nachricht. Vielleicht wurden die anderen fünf SMSen ja nicht erhalten!? Steckengeblieben in der Milchstrasse aufgrund eines Trafficjams mit dem rückwärtsgehenden Merkur. Oder so. Selbe Zeit anderer Ort…Irgendwo Nähe DJ-Pult befindet sich der Empfänger der mittlerweilen siebten Nachricht, der in der Schlange stehenden Dame. Akku ist bei ihm nicht mehr vorhanden, zu viele Gruppenchattätigkeiten haben ihm den Gar ausgemacht. Also kann er ihr halt erst am anderen Tag, die bereits angedeutete Verabredung bestätigen.

Freitags dann die Ernüchterung. Punkt 20 Uhr, zu dieser Zeit hätte das Treffen bereits invollem Gange sein sollen, aber frau „chillt mal ihr Leben, denn der Herr hatte bestimmt vielum die Ohren!“. Zusammenfassend steht in der langersehnten Mitteilung des Herrn, dass er sich entschuldigen möchte, sein Verhalten gestern im Club ihr gegenüber sei alles andere als angebracht gewesen (wohlgemerkt, die Dame war in einer Warteschlange und nicht am selben Ort, wie der Schreiber). Er sei noch verwundert darüber, dass sie trotzdem noch im selben Club auftauchte, obwohl er dachte, sie sei auf einer Guestlist eines anderen Lokales. Trotzdem frage er sich, weshalb die Dame auch nach dem dritten Anlauf von ihm, sich so abweisend verhalten habe. Er verstehe die Welt nicht mehr. Aber egal, Life suck´s und „Amore, für wann haben wir uns heute Abend schon wieder verabredet?“ Genau! Nun dürfen Sie, liebe Leserschaft, die Augen weit aufreissen. Hier handelt es sich um eine neu entstehende und sehr populäre Spezies, die erstens, Damen auf hohem Niveau versetzt, zweitens, Opfer eines verstrickten Verwechslungsattentats wurden (die Dame, die so abweisend reagiert hatte, war eine fremde Frau und nicht sein künftiges Rendez-Vous) und drittens, dies auch noch unverblühmt dem eigentlichen Date des aktuellen Abends kundtut. Natürlich ist der Sündenbock auch für diesen Fall schnell gefunden. Da Orange neuerdings „Salt“ heisst, sind seine zehn Nachrichten der Nacht, bei der Dame, dem eigentlichen Date, nicht angekommen. Macht ja nur Sinn, dass hier die Telekommunikationsgesellschaft für den Verwechslungs-ich-melde-mich-nicht-Fall verantwortlich gemacht wird. Aber meine lieben Leserinnen, es gibt einen feinen Silberstreifen am Hoffnungshorizont! Bislang sind der Verfasserin keine Meldungen bekannt, dass Swisscom oder Sunrise ihre Namen wechseln wollen. Dies deutet wohl darauf hin, dass immerhin alle männlichen Kunden dieser zweier Gesellschaften noch die Möglichkeit besitzen, sich fristgerecht, fair und höflich für ein bevorstehendes Date, abzumelden. Immer noch besser, als der versetzten Dame zu erklären, dass sie in der Nacht zuvor verwechselt wurde. Somit erledigen sich auch alle Listenfragen des Abends, dieser ist sowieso gelaufen. So verabschiedet man sich von den anderen, die bald dem angesagten DJ im schwarzen Loch huldigen werden (alle werden bald in Reih und Glied hin zum DJ-Pult stehen und mit dem Kopf nicken. Paartanzt wird generell überwertet und als überflüssige Interaktion mit einem interessanten Gegenüber verstanden.)

Aber jedem Ende wohnt ja auch immer ein Anfang inne, oder wo ein Witz stirbt, wird ein neuer geboren. Das ist das Schöne am Singlesein im Jahre 2015. Für Frust und das Gefühl von Ablehnung bleibt generell eh keine Zeit. Schliesslich kann frau sich auf dem Nachhauseweg noch mit einem der erhaltenen Soundcloud-Links aufpäppeln. Diese sollen, so der Sender unmissverständlich „auf dem Nachhauseweg“ gehört werden, da es für das Verständnis dieser komplexen Musikrichtung (Laien würden es wohl Boom-Boom nennen) eine bestimmte melancholische Stimmung braucht. In der Hoffnung, nun tröstende Klänge hören zu dürfen, wird schnell klar, gleicher Witz – anderer Kerl. Aber auch Witzbolde sind halt nur Menschen.

10.Mai 2015

 

 

 

 

§9 · Mai 12, 2015 · Allgemein · (1 comment) ·