Eine weitere Blog-Net Schweiz Seite

(Ennio Morricone Soundtrack im Hintergrund. dB(A) weit über der erlaubten discothekanischen Einheit von 100)…

Es gehört unter anderem zu meinem Beruf, herauszufinden, wo der Schuh drückt. Ich meine sogar, dass ich dieses Skill nun nach vielen Jahren äusserst gut beherrsche.

Meistens sind Anzeichen für Misserfolg oder dem Ausbleiben von Erfolg, weit von den vermuteten Ursachen entfernt. Nichts ist, wie es scheint. Es gilt die Wurzel des Übels zu erahnen, tief in die Erde hineinzustechen und dort am Zipfelchen des Würzelchens mit den richtigen Substraten anzusetzen.

Man gibt einem Patienten ja auch nicht einfach irgendwelche Schmerzmedikamente, ohne die Ursachen für sein Leiden zu eruieren. Sollte man auf jeden Fall meinen und hoffen… Räusper…

THE GOOD

Das Gute an meiner Berufung ist, dass mich diese Forschungswege beflügeln und meiner Tätigkeit einen tieferen und spannenden Sinn geben. Ich fühle mich durch das Erforschen lebendig und lerne sehr viel dazu (hirngerechtes Lernen, innovative Formen des kooperativen Lernens, Umstrukturierungen des Klassenzimmers für bewegungsfreundliches Lernen, Silicon Valley Erkenntnisse für die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler…).

The Good sind vor allem auch Menschen, die mich unterstützen und generell mein Leben mit wundersamen und selbstlosen Taten bereichern.

Ich habe Freunde in meinem Leben, die mir Nasenspray aus Amerika mitbringen, der wirklich, wirklich bei Heuschnupfen hilft und ihn mir einfach kommentarlos in den Briefkasten legen. Ich kann auf Freunde zählen, die mir aus ihrer schnuckligen Bar über die Strasse hinweg einige Münzen leihen, damit ich meine Parkkarte bezahlen kann, wenn ich feststelle, dass ich meinen Geldbeutel zu Hause liegen gelassen habe.

Meine Freunde stehen mir zur Seite wenn es gilt, fünfzig Bratwürste für meine Geburtstagsparty am samstäglichen Ort des Grauens, namens Migros Dreispitz, nach drei Stunden Schlaf und einigen Shots zu viel, auszuwählen.

Meine Freunde sitzen mit mir bis der Himmel (wieder) violett ist an der Marinabar und hecken die neusten Pläne für den Sommer 2018 aus.

Ich darf auf Freundschaften blicken, die mit mir fluchen und mir die Tränen aus dem Gesicht streichen, wenn mal wieder der Liebeskummer zugeschlagen hat und welche, die gekonnt, den mir innewohnenden Liebesschmerz ignorieren, da sie wissen, dass ich gerne kurz eine Pause davon hätte.

The Good verpassen mit mir gemeinsam den letzten Zug, warten auf die erste Fähre, strecken mit mir ihre zu kurzen Beine auf das vor der Sitzbank stehende Eisengeländer, nur um zu merken, dass es nicht reicht, um entspannt die Füsse darauf zu stellen.

Meine „The Goods“ chauffieren mich zum Chefarzt der Neurologie mit dem Auto, da ich mich sonst wiedermal komplett orientierungslos aufführen würde oder köcherln mir selbstgemachte Erdbeermarmelade, da sie wissen, wie sehr ich diese mag. Sie verlassen eine Party, um bei sich zu Hause Vinylplatten zu holen, die ich noch nicht besitze oder suchen mit mir in einer fremden Stadt einen bestimmten Menschen, der noch immer meinen Hausschlüssel bei sich zu Hause hat. Sie wecken mich inmitten der Nacht, da ihnen eingefallen ist, dass die Nachbarstür noch immer von der vorabendlichen Aktion mit Lippenstiftküssen bedeckt ist und es nun gilt, dieses möglichst schnell mit Lappen und Seifenwasser wegzuwischen. Sie verspeisen mit mir den selbstgebackenen Zitronenkuchen von einem Verehrer, der mit extra-wütiger Zitronensäure hergestellt wurde und lachen danach mit mir Tränen. Sie klemmen mir Botschaften hinter meine Scheibenwischer und ermuntern zum Aufatmen nach 22 Zeugnisgesprächen und gratulieren zum Feierabend (man – da dachte ich echt kurz es sein eine Busse – LOL).

Sie werfen mich über ihre Schulter und tragen mich die Treppe in den dritten Stock hoch, wenn es mal das eine Glas zu viel war. Sie kommen an Silvester vor der Party bei mir vorbei und stellen mir meinen viel zu schweren Glastisch auf, damit das Raclettieren in der Zweizimmerwohnung überhaupt möglich ist. Sie senden mir Videos von der „Obedsmatt“, dem schönsten Kraftort im Baselbiet, wenn ich selber nicht dazu im Stande bin dorthin zu fahren oder schicken mir den Livesong „Ich will wieder hoam“ von Fürstenfeld, wenn das Heimweh mal wieder zu stark ist. Sie löffeln morgens um vier mit mir ihr letztes Nutella aus dem Glas, weil der Kühlschrank leer und der Coop Pronto erst wieder in zwei Stunden öffnet. Sie zügeln mit mir die Matratze über den Balkon und fotografieren mich bei der Openair-Übernachtung im Garten in den Sommern, wo es in der Stadt 38 Grad hat oder machen mit beim mitternächtlichen Plantschen im Brunnen in der Hochstrasse. Sie schleppen kiloschwere Pflanzentöpfe mit Blaubeerensträuche an, im Wissen darum, dass mein nichtvorhandener, grüner Daumen nicht mal Kakteen überleben lässt.

Sie bringen mir ihre letzten gefrorenen Bohnen, damit ich damit eine Schwellung kühlen kann oder kaufen mir heimlich mein geliebtes Rössler-Geschirr aus den Sechzigerjahren, da ich diese Ausgabe in lindengrün schon seit Jahren suche.

Kennt ihr diese Leute, die honigkuchenpferdmässig grinsen und mit einer Engelsgeduld dir sagen: „Weisst du, ich bin einfach gesegnet!“ Du kennst solche Leute… Man würde ihnen am liebsten einfach ins Gesicht hauen. Mir kannst du also auch ins Gesicht hauen, denn ich wage auch zu behaupten, dass ich mit meinen „The Goods“ gesegnet bin.

(Trommelwirbel und Pfeifen im OFF. The Ecstasy of Gold – The Good, the Bad and the Ugly)

THE BAD

Da ich kompetenzorientiert durch dieses Leben gehe, ist es nicht meine INTENTION, „The Bad“ zu beschreiben. Ich überlasse diesen Teil dem Experten Ennio Morricone mit seinen epischen Meisterwerken.

(High Hat, Geigen und Trompeten im OFF. The Trio – The Good, the Bad and the Ugly)

 

THE UGLY GHOST(er)

Eigentlich wollte ich über „The Ugly Ghost(er)“ schreiben. Ich habe ihn jedoch während des Schreibens vergessen, da er nur ein Hirngespinst (-gespenst?) war und es keine Sekunde länger wert wäre, noch einen Gedanke über ihn zu verschwenden.

Das hat ja das Ghosting-Phänomen so an sich – diese Menschen verschwinden (nach fünf Monaten) einfach ohne Vorwarnung aus dem Leben. Das einzig Ärgerliche daran ist wohl die Tatsache, dass man sich zuerst noch Sorgen macht, wenn jemand am verabredeten Treffpunkt nicht auftaucht und auch auf den Telefonanruf nicht reagiert, obwohl the ugly ghost(er) gerade online ist. (Wie peinlich, so am Rande bemerkt).

Trotzdem und gerade wegen meiner Berufung, ist es schwer für mich, mit diesem Ghosting umzugehen. Da ich eben gerne aussergewöhnlichen Verhaltensweisen auf den Grund gehen möchte. Mein grüner Daumen bezieht sich auf das Anpacken an der Wurzel im empathisch-hobbypsychologischen Sinne.

Wie Geister halt so sind – blass, konturlos, ohne Rückgrat und Selbstwert. Sinnfrei, talentlos und auf jeden Fall desaströs einsam. Falls die Einsamkeit noch nicht gänzlich eingetroffen sein sollte, bin ich tief davon überzeugt, dass sie sehr bald Einzug halten wird. So viele Enttäuschungen, vom Ghoster ausgelöst, stecken nur vermeintliche „Freunde“  ein und diese verschwinden alsbald sie ihren Nutzen von der gemeinsamen Zusammenarbeit gezogen haben. Ugly. Word!

(Gong und Xylophon im OFF… untermalt mit einigen Schluchzern, die nicht vom Orchester stammen.)

 

 

 

§4014 · April 29, 2018 · Allgemein · (No comments) ·


Leave a Reply