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Wer kennt sie nicht, die Tage, an denen man unverwundbar zu sein scheint und das Leben perfekt vor sich hin plätschert? Morgens bereits gut aufgestanden, auf der Arbeit positive Rückmeldungen erhalten, draussen Sonnenschein und 25 Grad sowie die Aussicht auf ein herrliches Abendessen im Lieblingsrestaurant… Ich denke, solche Tage sind Glückstage – man muss sie wortwörtlich in sich aufsaugen, um sich an exakt diesen Glückserinnerungen zu laben, wenn es mal wieder – und dies soll vorkommen, nicht so rund läuft.

Nach Feierabend stieg ich in meinen geliebten Kleinwagen und brauste mit offenen Fenstern zur nächsten Autowaschanlage. Zugegeben die Musik in meinem Auto war etwas zu laut aufgedreht und ich sicherte mir bereits beim Einfahren auf die Waschstrasse, den einen oder anderen neugierigen Blick. Neben mir schrubbten vorwiegend Männer ihre SUV´s, mit einer Hingabe, für die es fast keine Worte gibt. Neben den BMW´s und dem einen Jaguar fiel mein Kleiner zwar etwas flach ab. Doch auch diese Tatsache untergrub meine gute Laune nicht. Ich stieg aus und fütterte den Automaten mit Kleingeld nachdem ich schwungvoll nochmals alle Türen kräftig zuschlug um eine Überschwemmung zu vermeiden. Hm? Was hätte ich denn heute gerne? Schonprogramm, Glanzprogamm, nur Spülgang? Ich drückte einen der Knöpfe und entnahm der Halterung die wassersprühende Lanze. Vielleicht sollte ich hier anmerken, dass in meinem Haushalt die Reinigung und Wartung der Autos jeweils Sache des Mannes im Haus war. Doch was der kann, kann ich schon lange, sagte ich mir selbstbewusst und aus naheliegenden Gutelaune-Gründen.

Ich lief dreimal um meinen Wagen herum und spülte ihn, ganz den Vorbildern links und rechts neben mir nachempfunden, hingebungsvoll. Der erste Spülgang war zu Ende und ich stellte fest, dass ich den nächsten Knopf am Automaten bedienen musste, um mit meinem Programm fortzufahren. Ich legte die Lanze neben meinen Wagen auf den Boden und schritt zur Tat. Mein Zeigefinger bediente die Taste Nummer 2 und ich konnte mit der Schaumbürste weiter zu Werke gehen. Dieser Teil geht recht in die Oberarme und ich konnte die Endorphine fühlen, wie sie durch meinen Körper strömten. Sport hätte ich heute also auch noch gemacht! Braves Mädchen! Grinsend zeigte ich den Jungs rund um den Platz, wie hoch ich auf meine Zehen stehen kann, um auch das Dach feinsäuberlich zu schrubben. Die Schaumbürste stoppte mit dem Schäumen. Zeit für Schritt Nummer 3. Ich verankerte die Bürste in ihrer Halterung und drückte frohen Mutes die nächste Taste…Der Anblick der sich mir nun bot, veranlasste meine Augen dazu sich aufzureissen und meine Hände schlugen sich automatisch vor meinen Mund. Die Wasserlanze aus Schritt Nummer 1 bäumte sich bedrohlich vor mir auf. Ich hatte sie auf dem Boden liegen gelassen und musste nun verzweifelt versuchen, ihrer wieder Herr zu werden. Leichter gesagt als getan! Ich rannte wie ein Kleinkind seinem Ball der Lanze hinterher. Die eiserne Stange schlug durch die Kraft des Wassers, welche ihr entwich gegen mein Auto, meinen Kopf, meine Oberarme und Waden. Ich konnte sie schlichtweg nicht ergreifen! Das Spektakel war meinen Waschnachbarn nicht entgangen und in kürzester Zeit hatte ich ein ungebetenes Publikum vor meiner Garage. Meine Chance des Zugreifens sah ich in dem Moment, als sich die Lanze für einen Augenblick auf den Boden legte. Ich fiel auf die Knie und versuchte sie unter Kontrolle zu bringen. Doch weit gefehlt! Der Wasserstrahl rutschte unter dem Kabinenschlitz durch zum Nachbar und vollführte dort einen weiteren Wassertanz sondergleichen. Ich war ratlos und schockiert, ob der gewaltigen Kraft dieser Anlage. Schwitzend und durchnässt hämmerte ich schliesslich hilflos auf den Stoppknopf, um diesem Alptraum ein Ende zu bereiten. Ich hörte noch, wie die Lanze beim Nachbarn auf den Boden prallte und endlich Ruhe gab. Vor Wasser triefend, erschlagen und sichtlich schlechter gelaunt wie zu Beginn, zog ich die gemeine Spritzpistole unter dem Kabinenschlitz hervor und steckte sie mit leichter Gewaltanwendung zurück an ihren Platz.

Als ich vom Platz fuhr, wechselte mein Ipod auf „Let it be“ von den Beatles und ich hielt es für besser, mich möglichst schnell den belustigten Blicken der Anwesenden zu entziehen. Seitdem meiden Yaris und ich die Waschanlage in Rheinfelden – aus naheliegenden Gründen…

§41 · Oktober 5, 2016 · Allgemein · (No comments) ·


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